the green pilgrims - Ein Paar auf Pilgerschaft
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Hinsehen! Und dann?

29/5/2016

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Bild

Im März hatten wir den Künstler Ren Rong in Bad Godesberg in der "Villa Frieden" besucht. Dabei gerieten wir unverhofft in ein Fotoshooting zu #hinsehen, einem Projekt für Zivilcourage, der Fotografin Beba Ilic.

Momente zum Hinsehen und Handeln

Als Beba Ilic (Fotografin) und Slavica Stoltenhoff (Designerin) auftauchen, läuft alles wie am Schnürchen. Das sympathische Duo informiert uns schnell und ruhig, worum es bei #hinsehen geht, und wie wir uns vor der Kamera verhalten sollen. Und schon sind die Bilder gemacht. Das war eine tolle Überraschung, ein Riesenspass - und bestimmt kein Zufall. Denn #hinsehen ist ein Projekt für Zivilcourage.

Das passt natürlich zu den Themen, für die Sesto und ich stehen und gehen. Auf unserer Webseite formuliert Sesto sein: "... tiefes Verlangen nach Würde, Gerechtigkeit und Harmonie unter den Menschen. ... Seit wir im Februar 2016 "in die Gesellschaft" aufgebrochen sind, gab und gibt es viele Momente zum Hinsehen und Handeln - auch neulich im Zug ...
​

Was schauen Sie so?

Vor mir sitzt ein junger Mann mit Stöpseln in den Ohren, daneben Sesto, der seine E-Mails checkt. Im offenen Viererabteil neben uns massregelt ein alter Mann, der vielleicht auf die 70 zugeht, mit fuchtelndem Zeigefinger einen Farbigen (ca. 50 Jahre + alt), er solle seinen Rucksack vom Sitz neben sich nehmen. Im Zug sind noch viele Sitze frei. Der Farbige schaut von seinem Handy auf. Anscheinend versteht er nicht. Der alte Mann fuchtelt deutlich und flucht leise: "Scheiss Kanake!". Der Farbige scheint wirklich nicht zu verstehen.

Ich atme durch und sammle mich - ich bin wütend und muss erst mal etwas runterkommen. Dann beginne ich zu starren. Ich starre den alten Mann an. Der versteht direkt, und doch fragt er: "Was schauen Sie so?" Meine Antwort ist etwas länger. Sie ist deutlich. Der Alte fühlt sich unwohl. Der Farbige scheint nicht zu bemerken, was geschieht.
Da beugt der Alte sich vor, tippt seinem Gegenüber auf das Knie und streckt die Hand aus. Der farbige Mann, strahlt ein wundervolles, offenes Lachen und schlägt ein. Fröhliches Händeschütteln und Tätscheln. Bei mir "inneres" Kopfschütteln.

Als der alte Mann sich zum Aussteigen bereit macht, erwarte ich, dass er mich nochmal anspricht. Ich überlege, wie ich ihn "verabschiede". Ich fühle mich nicht wohl. Der Zug stoppt, er geht an mir vorbei und zischt: "Blöde Gans!" In mir schüttelt es wieder, diesmal vor Lachen. Gerne hätte ich ihn noch gefragt, ob er eigentlich weiss, was das Wort "Kanake" bedeutet.

Die Zugfahrt geht weiter. Sesto ist noch mit seinen E-Mails beschäftigt. Nach ein paar Minuten spricht mich der junge Mann (20 - 30?) vor mir an: "Ich finde es richtig, dass Sie etwas gesagt haben." Im darauf folgenden Austausch, in den auch Sesto nach einer Weile einsteigt, erkläre ich den beiden, dass ich gerne gelassener und freundlicher mit dem alten Mann geredet hätte. Während unserer Unterhaltung sitzt der Farbige nach wie vor auf seinem Platz. Mein Unwohlsein, das in erster Linie mich und meine Emotionen betrifft, wird dadurch nicht weniger. Ein paarmal schaue ich verstohlen hinüber, aber das Lächeln, das ich ihm gerne schenken würde, werde ich nicht los.

Als im Gespräch, der junge Mann wiederholt betont, wie wichtig es war, dass ich in der Situation reagiert habe, sagt Sesto ganz trocken: "Dann sagen also nächstes Mal schon zwei etwas."

Zivilcourage: Was passiert da?

Was nach diesem Erlebnis und anderen Momenten zum Hinsehen und Handeln bleibt, sind folgende Gedanken und Fragen:

Nicht wegsehen - hinschauen ...
lieber zweimal hinschauen.

Was passiert da?
Warum finde ich das nicht richtig?

Warum macht es mich wütend? Woher kommt die Wut?
Ist es meine Wut?

Wo finde ich das Gefühl, die Haltung, mit der ich die
Situation nicht verstärke, sondern löse.

In mich hineinschauen. Hinschauen und handeln.
Fragen anstatt anzuklagen.

Zuhören anstatt sich zu empören. Offen bleiben.
Nicht urteilen. Schlichten aber nicht richten.


#hinsehen, das Projekt von Beba Ilic fordert uns heraus. Es ist eine ZuMUTung. Danke, Beba!!!



Atelierbesuch und Fotoshooting bei Ren Rong

#hinsehen - ein Projekt für Zivilcourage
umfasst Fotos, ein Buchprojekt und verschiedene Ausstellungen. Im Mai 2015 fand die Vernissage in Hagen statt. Seitdem ist das Projekt an verschiedenen Orten ausgestellt worden und Beba Ilic fotografiert weiter ... Wir sind gespannt, wie die Bilder von uns geworden sind, ich zeige diese in einem der nächsten Blogposts.


Links
mehr über den Künstler Ren Rong 
| einen Bericht über #hinsehen lesen | das Video #hinsehen auf YouTube | die Webseite von Beba Ilic | die Herkunft des Wortes Kanake
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    Autorin

    Gabriele Castagnoli hat hier ab April 2016 über zwei Jahre die Pilgerschaft mit ihrem Mann Sesto G. Castagnoli beschrieben.

    Seit Oktober 2019 schreibt Gabriele wieder ihren oralab Blog mit vielen lesenswerten Beiträgen zu den Themen Kosmos, Mensch und Kultur.

    "Seit Februar 2016 sind wir auf unbefristete Zeit, nur noch mit unseren Rucksäcken unterwegs. Alles andere haben wir verschenkt."
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