Wie kommt es, dass alle Welt dir nachläuft? So wurde Franziskus gefragt, der unvergessliche Heilige aus dem umbrischen Städtchen Assisi. Die Frage scheint in der heutigen Zeit aktueller denn je. Auch die Schwestern der Klosterherberge fragen sich auf ihrer Webseite: "Wie kommt es, dass die Baldegger Schwestern dies heute noch tun?" Ich möchte diesen Gedanken einmal im Bezug auf Sesto und mich innerlich kreisen lassen. Die Zeit in der Franziskus von Assisi lebte (1181 - 1226), war eine Umbruchphase von einer rein bäuerlich strukturierten Gesellschaft zu einer, in der es erste Städte und Anfänge einer echten Geldwirtschaft gab. Heute leben wir erneut in einer starken Transformationszeit - bezüglich der globalen Geldwirtschaft allerdings unter umgedrehten Vorzeichen. Franziskus war uns, bereits bevor wir 2012 in der Klosterherberge in eine Wohnung eingezogen sind, ein Begriff. Vielleicht ein noch etwas Unbekannter aber doch seltsam Vertrauter. Sesto fühlte sich durch die Art, wie dieser in Armut gelebt hatte, sehr berührt. Vor allem dadurch, dass es Franziskus gelungen war, parallel zum etablierten System der Kirche, dennoch seine Wirkung nicht zu verfehlen und neben der Achtung seiner Anhänger und Mitstreiter auch schliesslich die, der kirchlichen Würdenträger zu erlangen. Ich selber war, wenn ich Franziskus Sonnengesang las, fasziniert, wie spürbar der Gott der Christen auf einmal für mich war. Das war nicht mehr der unnahbare Herrscher(gott) über Alles und Jeden, sondern die schönste Verwirklichung seiner selbst in all den unterschiedlichen Facetten der Natur, die mich unmittelbar ansprach - und noch schöner, genauso ansprechbar war. Dass die Natur unsere Mitwelt ist, und eben nicht unsere Umwelt, wird im Sonnengesang deutlich. Franziskus von Assisi ist ein Mann unserer Zeit. Dem scheint auch der aktuelle Papst Franziskus mit seiner Namenswahl Ausdruck geben zu wollen. Armer Troubadour Gottes Mit dem Lebensumfeld einer franziskanischen Gemeinschaft wurde bei Sesto und mir nach und nach der Wunsch grösser, etwas mehr über den "poverello" - der Name unter dem Franziskus weithin bekannt und innig verehrt wurde - zu erfahren. Nach einer Buchempfehlung einer lieben Schwester lasen und staunten wir Anfang 2015, was der "Arme (Kerl)" alles bewegt hatte. Und wir stellten fest, dass das Gefühl der Vertrautheit seine Gründe hatte. Der "Troubadour Gottes", wie der später heilig Gesprochene auch genannt wurde, hatte einige Ansichten, die wir teilen. Die Bezeichnung "glücklicher Wanderer", die in unserer aktuellen Lebensphase besonders anklingt, geht auf Thomas von Celano zurück. Er war bei der Feier zur Heiligsprechung von Franziskus im Jahr 1228 durch Papst Gregor IX. in Assisi dabei und wurde von diesem beauftragt, eine Lebensgeschichte des Franziskus zu verfassen. Die Vita prima S. Francici, diese erste Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus von Assisi, ergänzte Celano mit theologischen Interpretationen. Absage an Reichtum und Besitz "Vermutlich nur ein paar Wochen nach den ersten öffentlichen Predigten schliessen sich Franziskus die ersten Gefährten aus Assisi an. Sie sind tief beeindruckt von seinem neuen Lebensstil und wollen so leben wie er. Franziskus sendet sie denn auch gleich in die Welt aus, um überall, wo sie hinkommen, zu predigen, so wie es in der Aussendungsrede des Evangeliums heisst. Nach ihren öffentlichen Predigten treffen sich die Brüder wieder untereinander, um einander zu erzählen, was der Herr durch sie gewirkt hat, und um im Gebet und im Zusammensein tiefer in das Geheimnis Gottes einzudringen. Für ihren Lebensunterhalt arbeiten sie bei Bauern auf den Feldern oder erbetteln sich die nötigen Dinge. Zum Wohnen kommen sie bei irgendjemandem im Stall oder im Haus unter, schlafen unter dem freien Himmel oder bauen sich einfache Hütten." So wird die unmittelbare Auswirkung von Franziskus Absage an Reichtum und Besitz auf der Webseite der "Franziskaner der Schweiz" beschrieben. Ein Leben, das im ersten Moment erschreckt, unvorstellbar zu sein scheint, und doch, da klingt etwas an. Neuer Lebensentwurf mit Intensität Vor allem, dass dieser Franziskus eben nicht sagte: "Ich bin dann mal weg." Er ging, ganz im Gegenteil, in die Gesellschaft hinein. Mit ihm musste man in seiner Zeit rechnen. Diese Art von Beteiligung am aktuellen Weltgeschehen - denn alles ist miteinander verknüpft und hat seine Wirkung - ist uns auf unserer unbefristeten Pilgerschaft wichtig. Dabei sind wir nicht zielgerichtet und mit einem Zeitplan unterwegs, sondern vertrauen darauf, welche Aufgaben und Herausforderungen unseren Weg kreuzen und bereichern. Auch in diesem Einlassen auf einen grösseren Plan, den wir nicht kennen, der aber spürbar für uns wirkt, fühlen wir uns Franziskus verbunden.
Einer unsere bisherigen Gastgeber auf diesem aktuellen Weg schrieb uns folgende Zeilen, nach einem ersten Treffen: " ... Was mich so beglückt hat in dem Gespräch mit euch und ich muß sagen, am liebsten hätte ich das Gespräch mit euch noch lange weitergeführt, war der Freigeist und das Erlebnis Gedanken zu entwickeln und auszutauschen, die ich/wir vorher noch nicht entwickelt haben. Mich fasziniert nicht nur, euer neuer Lebensentwurf, sondern vor allem die Konsequenz mit der ihr ihn geht! Viele reden davon, aber tun es nicht, weil Angst, Materielles und Haben statt Sein im Vordergrund stehen. Ihr macht das mit einer solchen Intensität, die sich fernab von vielem „esoterischen Geschwafel“ ansiedelt. Oder anders gesagt: die Marke Castagnoli ist eine Marke mit viel Charakter. Deshalb wären wir mehr als beglückt, wenn ihr unser Angebot annehmt mal bei uns zu „residieren“. Einmal, um das Gespräch in allen Facetten weiterzuführen, zum anderen, um die Demut zu lernen, die notwendig ist, sein eigenes Leben zu überprüfen, in Frage zu stellen und sich vorzustellen, daß man sich vorstellen kann, dass das, was man lebt auch genau so gut auch andersherum denkbar wäre mit welchen Konsequenzen und Perspektiven auch immer. Was daraus realisiert wird ist dann der nächste Schritt. ... Wenn ich jetzt eine Gang zurückschalte und überlege, wo stehe ich dabei, antworte ich im Vergleich zu euch, weit hinten und ihr weit vorne. Denn ihr habt euch seit vielen Jahren darauf vorbereitet und Gier und Anhaftung so etwas wie die „Arschkarte“ gezeigt. Ihr bringt etwas in Gang, was tiefer geht. Ich schaffe etwas ähnliches auch, zum Beispiel meine Contents so auf den Punkt gebracht wie in meinen Büchern, aber am Ende steht immer noch das Kassenhäuschen aus selbst konzipiertem Diktum und vielleicht auch aus Lebensangst. Meine Jugend war in der Sinnvermittlung sehr „evangelisch“, vielleicht kommt daher auch das Kassenhaus!" ... " Sesto und ich sind beglückt, wenn wir solche Rückmeldungen zu Begegnungen und Gesprächen mit uns bekommen. Und wir selber fühlen uns stets beschenkt durch die unterschiedlichen Erfahrungen, die wir mit den "Menschen am Weg" machen dürfen. Am Schluss meiner gedanklichen Kreisbewegung zur einstiegs gestellten Frage, ob Franziskus mit uns läuft, oder wir ihm "nachlaufen", möchte ich mit einem entschiedenen "sowohl als auch" antworten, und ihn selber zu Wort kommen lassen: "Nun lass uns anfangen, bis jetzt haben wir eigentlich noch wenig getan." Den Satz soll er übrigens gegen Ende seines Lebens gesprochen haben. Einfach vorbildlich! Links: Hier findet ihr Informationen über Franziskus von Assisi | zur Franziskanische Familie | Informationen über die Klosterherberge Baldegg (CH) | ein Interview mit uns im Journal der Klosterherberge | die Webseite der Schweizer Franziskaner | etwas zu Franziskus und Franziskus auf meinem oralablog | und da der 21. Mai der Gedenktag von Thomas von Celano ist, mehr über ihn im Heiligenlexikon
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Gabriele Castagnoli hat hier ab April 2016 über zwei Jahre die Pilgerschaft mit ihrem Mann Sesto G. Castagnoli beschrieben. Archive
September 2018
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